Meine bisherigen Marathons:

Berlin 2010          3:56:30

Karlsruhe 2011   3:44:31

Karlsruhe 2012   3:33:12

München 2013    3:54:09

 

 

2010 in Berlin wars dann so weit: Mein erster Marathon !!!

 

Morgens vor dem Marathon

Der Blick aus dem Fenster verheißt nichts Gutes: Es regnet in Strömen! Aber das war ja nach den Vorhersagen der letzten Tage schon zu erwarten. Da es mein allererster Marathon ist, hab ich keine Ahnung, in wie weit das meinen Lauf und vor allem meine Zeit beeinträchtigt. Ist es am Ende sogar ein Vorteil? Kein Plan. Ich Frühstücke ein Brötchen mit Wurst und eine Banane. Dann schnappe ich meinen Wäschesack und mache mich mit meinen ortskundigen Freunden auf den Weg. Unterwegs trinke ich noch eine Flasche Wasser aus. Völliger Blödsinn, das bringt rein gar nix. Während des Laufs wird genügend zu trinken gereicht und es führt höchstens dazu, dass man wenns dumm läuft, kurz vor dem Start nochmal … siehe nächster Abschnitt!

 

Kurz vor dem Start

Es regnet unaufhörlich. Ich habe mich jetzt in meinem Startblock, dem Block „H“ eingefunden. Da stehen alle, die eine Zeit über vier Stunden als Bestzeit vorzuweisen haben sowie alle Marathon-Neulinge ohne Referenzzeit. Und das sind Tausende von Läuferinnen und Läufern. Auf diversen Bühnen mitten in den Startblöcken wird man von jungen Damen mit Musik zum Warmmachen animiert. Dann werden über Lautsprecher unter großem Applaus von uns Normalo-Läufern die Marathonfavoriten vorgestellt. Kenianer, Äthiopier … oder auch Sabrina Mockenhaupt. Der Start der einzelnen Gruppen geht jeweils im Abstand von wenigen Minuten über die Bühne. Dann fällt der erste Startschuss und die Favoriten gehen auf die Strecke. Bald geht’s auch für uns aus dem „H“-Block los … und ich stelle fest, dass meine Blase drück! Wie doof kann man eigentlich sein? Aber aus Fehlern lernt man. Also raus aus dem Startblock, über die Absperrung ins Wäldchen, wo sich auch schon ein paar dutzend Leidensgenossen  eingefunden haben und zurück in den Block, in dem es inzwischen im Gänsemarsch Richtung Startlinie voran geht, während nun tausendfach in hohem Bogen die Regenumhänge weggeworfen werden.

 

Start

Dann ist es endlich so weit. Der letzte Startschuss des Tages fällt! Nun beginnt das Rennen auch für uns Läufer aus dem letzten Startblock. Ich versuche, mich noch vor der Startlinie möglichst weit nach vorne zu arbeiten, weil viele aus diesem Block Läufer sind, die im 5-Stunden-Bereich finishen werden. Und je mehr ich schon jetzt hinter mir lasse, desto weniger muss ich auf der Strecke überholen. Und dann endlich überlaufe ich die Zeitmessmatte, das große Spiel beginnt. Ich befinde mich nun also in meinem allerersten Marathonlauf! Schon jetzt säumen trotz des miesen Wetters unzählige Menschen den Straßenrand und feuern uns an.

 

Km 5

Inzwischen habe ich meinen Laufrhythmus gefunden. Die Kilometerzeiten passen, ich erarbeite mir so langsam eine kleine Reserve. An der ersten Verpflegungsstelle geht’s ziemlich eng zu, aber ich hab mir vorgenommen, zumindest immer einen Becher Wasser zu schnappen. Die Hälfte davon landet eh überall, bloß nicht im Mund. Jeder, der ne Ahnung hat vom Langstreckenlauf sagt, dass man trinken soll, bevor der Durst kommt. Und an so einem Anfängerfehler soll meine Mission ganz bestimmt nicht scheitern. Irgendwie kann ich noch immer nicht glauben, dass ich nun ein kleiner Teil eines großen Marathonlaufs bin. Ein super Feeling!

 

Km 10

Es läuft wie geschmiert. Immer mehr Menschen stehen nun trotz strömenden Regens am Straßenrand und meine Zwischenzeiten liegen hervorragend im Marschplan. Ich hab schon anderthalb Minuten Reserve. Es macht mir immer mehr Spaß, aber ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr ablenken lasse. Ich darf nicht jede Hand, die mir entgegengestreckt wird, abklatschen, nicht jedem, der meinen Namen ruft, zuwinken und nicht jeder Band applaudieren, die auf einer der vielen Bühnen spielt, die entlang der Strecke aufgebaut sind. Ich muss mich wieder mehr auf mich und meinen Lauf konzentrieren.

 

Km 15

Alles ist gut … eigentlich. Mein Problem ist aber, dass ich mich von der Euphorie tragen lasse und zu schnell geworden bin auf den letzten Kilometern. Ich muss mich zwingen, mich wieder mehr an meine Vorgabe zu halten. Ansonsten kann sich das im weiteren Verlauf noch bitter rächen! Dazu kommt, dass der Dauerregen die Startnummer aufweicht und diese an den Löchern ausreißt. Also muss ich nun auch noch an den Sicherheitsnadeln rumbasteln, damit das Teil wieder richtig hält. Körperlich geht’s mir sehr gut und ich genieße nach wie vor die einzigartige Stimmung. Zuschauer aus aller Herren Länder jubeln uns zu. Man sieht die Flaggen verschiedenster Nationen, besonders viele aus den nordischen Ländern Dänemark, Schweden und Norwegen.

 

Km 20

Ich nähere mich der Halbmarathonmarke. Dreieinhalb Minuten beträgt meine Reserve inzwischen, mindestens zwei Minuten hatte ich mir bis zur Hälfte vorgenommen, also  ist das schon mal  ganz ok. Ich hab wieder meinen Rhythmus gefunden und laufe konstante Kilometerzeiten gemäß Vorgabe, nehme mir weiterhin an jeder Verpflegungsstation was mit und versuche einfach, „mein Ding“ zu machen … wohl wissend, dass das Schlimmste noch vor mir liegt. Doch im Moment fühle ich mich noch bärenstark!

 

Km 25

Hmmm, war das eben ein leichtes Ziehen im rechten Knie, oder täusche ich mich? Naja, was solls, es ist ja wieder verschwunden. Aber im Hinterkopf spielt das ab sofort schon ein wenig mit. Ich schaue auf die Uhr. Noch laufe ich in meinem geplanten Geschwindigkeitsbereich, aber inzwischen deutlich im unteren Level. Ich sollte jetzt  nicht mehr wesentlich langsamer werden! Irgendwie ist mir ein wenig die Leichtigkeit flöten gegangen. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich inzwischen seit weit mehr als zwei Stunden im strömenden Regen rumrenne.

 

Km 30

Nein, es ist  nicht mehr so einfach wie noch vor einer Stunde. Ich spüre die Belastung inzwischen in den Knien und Oberschenkeln. Noch nicht problematisch, aber eben merklich. Es fällt mir auch immer schwerer, in meinem Zeitkorridor zu bleiben. Meine Reserve hat sich etwa seit km 26 nicht mehr verändert. Das heißt, ich baue nicht mehr aus, greife die Reserve von etwa fünfeinhalb Minuten aber auch noch nicht an. Und allmählich nähere ich mich auch neuen Sphären. Noch nie bin ich weiter als 33 km gelaufen. Ich weiß nicht, was mich erwartet. Kommt der berühmt-berüchtigte Mann mit dem Hammer wirklich, von dem man immer wieder hört? Ich hoffe nicht …!

 

Km 35

Im Grunde genommen beginnt der Marathon erst jetzt so richtig. Alles was bisher war, war Vorgeplänkel,  aber nun wird’s echt lästig. Ich spüre meine Beine kaum noch, umso deutlicher spüre ich dafür, dass sich durch die nassen Schuhe und Socken Blasen an den Füßen bilden. Noch sieben Kilometer, das muss doch zu schaffen sein. Vom Mann mit dem Hammer erkenne ich noch keine Anzeichen, aber der soll ja eh recht plötzlich auftauchen. Das ständige Rechnen bezüglich der Endzeit lenkt mich von den körperlichen Problemen ab, das ist gut so. Ich habe ein klein wenig von der Reserve verloren, aber das war ja einkalkuliert. Es verbleiben noch immer gut viereinhalb Minuten.

 

Km 37

Im Moment ist es ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits stehe ich fünf km vor meinem ganz großen Triumph. Es fehlt nicht mehr viel, dann bin ich Marathon-Finisher unter vier Stunden! Aber anderseits sitzt mir die Gefahr eines Krampfes ganz dicht im Nacken. Ich kann meine Beine kaum noch kontrollieren, die bewegen sich wie von selbst. Gut, wenn sie das jetzt noch fünf Kilometer so machen, ist das ja in Ordnung. Aber man weiß es halt nicht …! Ich rechne weiterhin an jeder Kilometermarkierung aus, wie meine Zeit im Besten und im schlechtesten Fall werden könnte. Meine Reserve schrumpft zwar weiter, aber in recht kleinen Schritten. Es verbleiben noch knapp vier Minuten. Ich seh mich auf einmal in Gedanken bei meinen ersten Lauf-Versuchen vor mehr als drei Jahren, denke an den Moment zurück wo ich beschlossen habe, auf einen Marathon zu trainieren, werde ein wenig sentimental … und laufe mit diesen Gedanken im Hinterkopf wie in Trance weiter.

 

Km 40

Ich kann nun rechnen wie ich will: Nur noch schwerwiegende körperliche Probleme können meine geplante Zielzeit jetzt noch verhageln. Ich habe gut drei Minuten Reserve zwei Kilometer vor dem Ziel. Ja, ich habe Schmerzen, bin total durchnässt und friere so langsam ein wenig. Aber das ist mir jetzt alles scheißegal! Mit jedem Schritt komme ich meinem Ziel näher. Immer mehr Menschen drängen sich hinter den Absperrungen, ich bin inzwischen auf der Straße unter den Linden. Noch ein paar hundert Meter und ich durchlaufe das Brandenburger Tor. Man sollte ja den Tag wirklich nicht vor dem Abend loben, aber ich reiße die Arme in die Höhe, die Hände zur Faust geballt und laufe ein paar Meter in dieser Rocky-Balboa-Pose. Die Leute am Straßenrand singen: „So seh´n Sieger aus!“ Nichts kann mich jetzt noch aufhalten!

 

Km 42

Ich befinde mich jetzt auf den berühmten 195 Metern, das Ziel liegt in Sichtweite vor mir. Ich bin klatschnass, fix und fertig … aber unendlich glücklich! Mein Körper hat mich nicht im Stich gelassen und der Mann mit dem Hammer bleibt zumindest bei meinem ersten Marathon ein Phantom. Die letzten Meter sind ein einziger Triumphzug! Überglücklich überquere ich die Ziellinie mit gut drei Minuten Vorsprung zu meiner Zielzeit.

 

Ziel

Unglaublich, es hat aufgehört zu regnen. Ich bekomme eine Tüte mit Verpflegung wie Obst, Schokobrötchen, Riegel und Getränken in die Hand gedrückt. Ich hole meine Klamotten ab, breite die Warmhaltefolie, die man uns gereicht hat auf dem Rasen vor dem Reichstag aus, ziehe mich um und schmeiss mich ne Weile auf den Rücken. Erst jetzt wird mir so ganz allmählich klar, dass ich es geschafft hab. Dreieinhalb Jahre seit meinen ersten Laufversuchen hab ich mein großes Ziel in 3:56:30 Std. erreicht!